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Thomas Ruffs neue Serie "nudes" bei Johnen & Schöttle
Die Unschärfe aus dem Netz.
Thomas Ruff befasst sich mit pornografischen Darstellungen, in:
KSTA, 20.1.2000.
Pornographische Darstellungen und Aktfotografien, sind heute
überall präsent: in einschlägigen Sex-Magazinen,
in Tageszeitungen und in der Werbung, auf Zeitschriften-Covers
und im Inter-net. Auch in der bildenden Kunst, vor allem in der
zeitgenössischen Fotografie, sind nackte Körper, Geschlechtsteile
und –akte besonders beliebte Themen. Im Gegensatz zu den
Anfängen der Fotografie wird heute nichts mehr verhüllt:
je direkter und fleischiger, desto besser lautet die Devise. "Hardcore"
ist angesagt.
Nun hat sich auch Thomas Ruff (41), der zu den bekanntesten der
Becher-Schüler zählt, diesem Thema angenommen. Im vergangenen
Jahr entstand die Serie "nudes", die nun – neben
einer neuen Porträtserie - mit 9 Arbeiten bei Johnen &
Schöttle zu sehen ist. Eine nackte Frau sitzt mit ausgebreiteten
Beinen empfangsbereit auf einem Sessel. Der Halbakt eines jungen
Mannes, dessen Arm mit einem Tattoo geschmückt ist, steht
– auf einem anderen Foto – in Position. Und auf einem
weiteren Bild ist ein Paar zu sehen, das gerade den Geschlechtsakt
mit gegrätschten Beinen auf einem Sofa praktiziert.
All diesen Bildern ist gemeinsam, daß sie leichte Bewegungsunschärfen
beinhalten und – bei näherem Hinsehen – grobe
quadratische Pixel aufweisen, so daß eine detailierte Betrachtung
unmöglich wird. Dieses hintersinnige Anliegen wirkt irritierend,
verunsichernd, und es provoziert die Betrachter. Die Pixel sind
zudem ein Indiz dafür, daß die Bilder aus dem Computer
stammen. Ruff hat sie als "readymades" dem Internet
entnommen, anschließend per Computer digital überarbeitet
und als Lambda-Print auf etwa 126 x 126 cm vergrößert.
Als gerahmte und ausgestellte Fotoarbeit sind nun diese bearbeiteten
Internet-Fotos öffentlich und in den Kontext Kunst transferiert
worden, der eine andere Sichtweise auf das Dargestellte zuläßt
als das Netz.
Mit dem aktuellen elektronischen Medium und malerischen Unschärfen
hat Ruff sich eines alten Genres der Fotografie angenommen und
zeitgemäß entwickelt. Er wollte keine geschönte
Aktfotografie machen, wie es Modefotografen betreiben, sondern:
"Meine Aktfotos sollten ... etwas authentischer, `erwachsener´
sein." Bei seinen Internet-Recherchen fand er zahlreiche
Amateure, die sich nackt und in Pose zeigen, und er stellte fest:
"Es ist wirklich unglaublich, wie die Anonymität des
Netzes den Exhibitionismus unterstützt und den Voyeurismus
fördert. Deshalb habe ich beschlossen, mit diesen Fotos zu
arbeiten." Und nun gibt es also noch mehr porno-graphische
Fotografie. Die Frage darf erlaubt sein: Warum muß nun auch
noch Ruff auf dieser Welle mitschwimmen und die Förderung
des Voyeurismus vorantreiben?
Neben der nude-Serie hat er seine großformatige Porträt-Serie,
mit der er vor zehn Jahren bekannt wurde, wieder aufgegriffen
und seine gleichaltrigen Freunde fotografiert. Beruhigend, daß
er sich nicht nur fremdes Bildmaterial aneignet, sondern sich
auch selbst zitiert.
U.L.
Erschienen im Kölner Stadtanzeiger, 20.1.2000
Galerie Johnen & Schöttle, bis 12.2.
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