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Die ungebremste Lust am Bild. Im Internet entstehen bei Youtube
und Co ganz neue Räume für professionelle und private
Videokunst, in: Mannheimer Morgen, 12.5.2007.
You tube und andere virtuelle Bilderhallen
Bilder sind die ursächlichsten Medien der visuellen Kommunikation.
Die Höhlenzeichnungen sind eine der frühesten Formen
bildnerischer Ausdrucksweisen. In unserer heutigen Informations-
und Kommunikationsgesellschaft sind Bilder zu einem wesentlichen
Faktor nonverbaler Mitteilungsformen geworden. Alle öffentlichen
und privaten Bereiche sind von Bildern durchsetzt und geprägt.
Mit Bildern lassen sich Botschaften vermitteln und Emotionen erzeugen.
Noch nie gab es so viele Bilder-macher wie heute. Nicht nur Profis
wie Künstler, Fotografen, Werbemacher und Medienleute produzieren
täglich unend-lich viele Bilder, sondern immer mehr auch
Laien. Fast jeder ist heute im Besitz eines Handys mit integrierter
Foto- und Videokamera und / oder entsprechenden Einzelgeräten
und produziert Bilder, die den Besitzer, seine Familie und das
Umfeld verewigen, in Erinnerung halten sol-len. Fotos werden digital
mit speziellen Rahmen versehen; Videoclips erhalten einen speziellen
Sound und werden so zum Erlebnis für Auge und Ohr.
Und um diese – zumeist privaten - Erlebnisse auch noch vielen
anderen weltweit mitteilen und miterleben lassen zu können,
gibt es die Möglichkeit, die Fotos und Videos unter verschiedenen
Kategorien im Internet zu veröffentlichen wie z.B. auf den
Seiten www.you tu-be.com, www.clipfish.de oder www.myspace.com.
Je nach Alter und Neigung können hier die selbstgefertigten
Fotos und Videos als visuelle online-Tagebücher kostenlos
„gebloggt“, auf die entsprechende Internetplattform
einge-setzt und angeschaut werden.
Mittels dieser Bilder und der entsprechenden thematisch unterteilten
„Communities“ und Kategorien wie Sport, Kinder, Musik,
ferner Kunst entstehen via Internet soziale Kontakte, man kann
die soeben angeschauten Bilder anschließend mit jemandem
teilen, den Link per mail zu einer anderen Person schicken und
sich darüber austauschen.
Damit ist eine neue, ungebremste Lust am Bildermachen entstanden.
Dem Drang zur Selbstdarstellung sind hier keine Grenzen gesetzt;
das Private und Intime wird öffentlich gemacht, um Aufmerksamkeit
zu erheischen. Wir leben heute „im Zeitalter der Herstellung
per-sönlicher Attraktivität im industriellen Maßstab“
(Georg Franck).
Im ersten Internetformat, dem web.01, nahmen
Informationen drastisch zu, doch es erübrigte
sich der soziale Austausch. Es wurde möglich,
Erfahrungen zu sammeln, ohne sich der Gefahr
einer realen Beziehung auszusetzen.
Heute, mit dem neuen web.02, ist die Produktion und Wiedergabe
von Bildern im Netzt erleichtert worden. Zugleich sind unzählige
„Chatrooms“ und Internetforen ent-standen und damit
wird der weltweite Kom-munikationsfluß per Computer und
Mausc-lick ermöglicht.
Im Internet ist ein regelrecht demokratisches Museum, ein weltweit
verfügbares Bilder- und Informationsarchiv entstanden, das
sich jedoch täglich ändert und täglich neue Leute
zusammenbringt. Dabei ist die Qualität der Bilder leider
noch recht schlecht. Je nach Höhe des DSL können auch
Videos ins Sto-cken geraten, pixelig und unscharf erschei-nen.
Das tut dem kommunikativen Aspekt scheinbar keinen Abbruch, wohl
aber der Einschätzung von Bildqualitäten und dem differenzierten
Umgang mit Bildern über-haupt. Umsomehr wird das Original
im „Zeit-alter der technischen Reproduzierbarkeit“
(Walter Benjamin) an Bedeutung erlangen, werden Kunsthistoriker
und Museumsleute, die sich professionell mit Bildmedien be-schäftigen,
vor neue Aufgaben gestellt wer-den, denn „der Masse von
Bildern und ihrer wachsenden Macht steht ein auffallender Mangel
an praktischer und theoretischer Bildkompetenz gegenüber“
(Oliver R. Scholz). Mit der zunehmend schnellen Konsumierbarkeit
von Bildern geht eine Oberflächlichkeit einher, die in der
Produktion wie auch in der Rezeption, bei Laien wie auch bei Künstlern
zu beobachten ist. Das Be-trachten von Bildern hat sich durch
die digi-talen Bildmedien und das Intenet sehr ver-ändert.
Auf den Internetforen sind stille oder bewegte Bildwerke von Laien
wie auch von Profis eingestellt und durch die Struktur des Netzes
werden die Grenzen zwischen Kunst und Nicht-Kunst hier fließend.
Einige Videokünstler reagieren indes auf diese neuen Kommunikationsstrukturen
wie eine Ausstellung in Oldenburg zeigt. Die Wandergalerie Stephanie
Bender nutzt youtube und myspace, um ihre Videokünstler einem
anderen als dem herkömmlichen Galerienpublikum zu präsentieren.
Hier sind interessante professionelle Ansätze erkennbar,
der Kunst im Internet ein neues Forum zu verschaffen und ein neues
Publikum zu erreichen.
Ulrike Lehmann
Infos:
You tube ist eine im Februar 2005 von den drei ehemaligen PayPal-Mitarbeitern
Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim gegründete Website,
auf der die Benutzer kostenlos Video-Clips ansehen und hochladen
können. Am 9. Ok-tober 2006 gab Google die Übernahme
von You-Tube bekannt.
Internetseiten:
www.youtube.com
www.myspace.com
www.flickr.com
www.clipfish.de
Ausstellung:
MY OWN PRIVATE REALITY
Growing up online in the 90s and 00s
Generation Internet wird erwachsen
12. Mai – 1. Juli 2007
im Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Olden-burg
www.edith-russ-haus.de
Galerie:
www.wandergalerie.de
www.myspace.com/wandergalerie
Für Videokunst siehe:
www.video-art.blogspot.com
www.youtube.com/user/videogalerie
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